Your address will show here +12 34 56 78

Texte 2015

Intensitäten
Joceline Ziegler (17 Jahre), Berlin – Lyrik
             wahrgenommene Leuchtdichten eine

Kurve von Seismographen gezeichnet ein

Ineinanderfallen ein Auseinanderfalten

später

 

               die Heimkehr in Fremdstädte eine

Skizze von (Farb)tönen eingraviert innen ein

Wort durch den Atem geflüchtet wo bist du

gewesen

 

                ein irrlichternder Morgen ein

Stück Gestern in schürfenden Farben die

Laternen den Fensterabdruck an Zimmerwände

stempelnd

 

                   Leuchtnarben am Himmel eine

Liste von Dingen die niemals werden ein

wenig Liebe übrig geblieben für zehn Sekunden

vielleicht
10 Sekunden hat eine Freundin
Inya Stewart-Wiese (9 Jahre), Berlin – Junior-THEO
In der Klasse von Frau Schmitz war es ganz leise und alle saßen auf ihren Plätzen. Als Frau Schmitz sagte: „Morgen kommt ein neues Kind“ meldeten sich alle, um etwas zu fragen. Frau Schmitz nahm Tascha dran und Tascha frage: „Wie heißt das neue Kind?“ und alle Finger waren unten. „10 Sekunden“ antwortete Frau Schmitz. Tim sagte: „Wann ist Pause?“ „Jetzt. Aber wieso quatschst du einfach rein und redest dann auch noch so unhöflich?“ sagte Frau Schmitz. Alle Kinder stürmten raus.

Als alle draußen waren, sagte Veronica zu Adagia: „10 Sekunden ist voll der komische Name, ne?“ „Ja“, sagte Adagia „Ich hoffe 10 Sekunden ist ein normaler Mensch wie wir.“ „Hoffe ich auch“, sagte Veronica. Die Pausenklingel klingelte und alle rannten rein. Frau Schmitz sagte: „Wir spielen noch schnell ein Spiel und dann geht ihr nach Hause.“ „Ja!“ schrien die Kinder.

Nach dem Spiel verabschiedeten sich alle und gingen nach Hause. Zu Hause aßen sie erst mal alle und gingen ins Bett.

Am nächsten Tag kam eine Uhr in die Klasse und alle flüsterten über die Uhr. Als die Uhr sich dann neben Klara gesetzt hatte, guckten alle zu Klaras Schreibtisch. Frau Schmitz sagte: „Lasst euch nicht so ablenken von 10 Sekunden, sondern macht weiter in euren Heften.“

Dann arbeiteten fast alle außer Tim. „Tim, dich meine ich auch, wenn ich alle sage!“ Tim arbeitete dann auch in seinem Heft, aber sah oft kurz die Uhr 10 Sekunden an. Alle ließen sich ablenken von 10 Sekunden. „Arme 10 Sekunden! Alle gucken sie an. Ihr würdet es doch auch nicht toll finden, wenn jeder euch immer angucken würde, oder?!?“ „Ja!“ sagten alle, aber nur Klara hörte auf zu gucken, die anderen guckten immer noch.

Die Uhr mochte Klara am meisten. 10 Sekunden fand es doof, dass immer, egal wo sie war, alle sie anguckten und sie fand es toll, dass Klara mal ausnahmsweise wegguckte. Endlich ein Mensch, der sie nicht immer anglotzte! Als dann Pause war, hat 10 Sekunden Klara gefragt, ob sie mit ihr spielen wollte. Klara hat „Ja!“ gesagt und Klara und 10 Sekunden haben Fangen gespielt und danach Verstecken. Als sie ein Wettrennen machen wollten, hat die Pausenklingel schon geklingelt.

Aber am nächsten Tag haben sie weitergespielt und ab da waren sie richtig gute Freundinnen.

Und 10 Sekunden hat Klara immer die Zeit gesagt.
Brieflesendes Mädchen am Fenster
Sofia Marit Nessing (11 Jahre), Lychen – Prosa (10-12)
Es ist kurz vor Weihnachten. Mit meiner Mutter besuche ich die Gemäldegalerie „Alte Meister“ in Dresden. Ich stehe vor einem Bild, das 1655 gemalt wurde. Der Maler hieß Jan Vermeer. Ich sehe darauf ein Mädchen am offenen Fenster. Vorn im Bild sehe ich eine ausgekippte Schale Obst. Sie liest einen Brief. Ich sehe sie an, ich beobachte sie.

Ich wundere mich. Plötzlich stehe ich neben ihr. Sie bemerkt mich nicht. Ich sehe, dass sie mit den Tränen kämpft. Der Bote, der ihr den Brief brachte, steht vor dem offenen Fenster und sieht teilnahmslos zu. Er war viele Wochen unterwegs. Das Mädchen läuft aus dem Zimmer. Ich laufe hinterher. Sie wirft den Brief in der Küche auf den Tisch und weint, das Gesicht in die Hände vergraben. Ich bin neugierig. Ich versuche, den Brief unbedingt zu lesen. Aber die Schrift ist ganz anders. Mein Herz klopft vor Aufregung. Auf der Treppe höre ich die müden Schritte des Boten.

Plötzlich höre ich eine Tür aufgehen. Es ist die Mutter. „Liesel“ ruft sie, „ich bin wieder da.“ Sie kommt in die Küche. Auch sie sieht mich nicht. Sie fragt ihre Tochter erschrocken: „Liesel, warum weinst du? Was ist passiert?“ Ich zittere vor Anspannung, zeige auf den Brief, fasse sie am Arm. Sie bemerkt mich nicht. Ich bin unsichtbar. Liesel fällt ihrer Mutter um den Hals und zeigt auf den Brief. Die Mutter liest. Tränen laufen ihr über die Wangen. Liesel sagt: „Vater ist tot. Schon im Sommer ist er gefallen.“ Ich schreie: „Das ist ja ein halbes Jahr her. Ein halbes Jahr hat der Bote gebraucht. So lange…“ Niemand hört mich. Die Mutter liest vor, dass der Vater im Krieg gefallen ist. Liesel sagt: „Er wollte nicht in den Krieg. Sie haben ihn gezwungen, andere Menschen zu töten. Lass ihn trotzdem in den Himmel kommen.“ Beide weinen stumm und beten. Ich glaube nicht an Gott, aber damals war das wohl so. Inzwischen essen sie ihr karges Abendmahl aus Brot, Wasser und Käse. Dann gehen sie schlafen. Doch ich höre, wie sie noch im Bett darüber reden.

Mir schießen die Gedanken nur so durch den Kopf. Der Bote war so lange unterwegs, um den Brief mit der Todesnachricht zu bringen. So lange mussten sie warten. Und dann vielleicht 10 Sekunden, um den Brief zu lesen, können einen Menschen in Freude oder Trauer versetzen. Auch Angstgefühle, Langeweile oder Mut können hervorgerufen werden. Verliebtheit oder Wut – ganz egal. Und diesmal eben Trauer.

Mein Handy klingelt. Erstaunt tauche ich zurück in die Gegenwart. Meine Mutter steht ein Stück entfernt und sieht mich böse an, weil das Handy klingelt. Schnell gehe ich ran. Es ist meine Freundin aus Hamburg. Ich frage, wie es ihr geht. Sie will mir was total Cooles erzählen. Ich sage: „Du später…“ und lege auf. Das Ganze hat 10 Sekunden gedauert. So schnell, kein halbes Jahr.

Über die Schulter werfe ich einen Blick zurück auf das Bild. Das Mädchen steht noch immer am Fenster – stumm und starr – mit Ölfarbe auf eine Leinwand gebannt. Stumm liest es den Brief. Von dem unheimlichen Zauber ist nichts mehr zu spüren. Schnell wende ich mich ab. Mir ist wirklich unheimlich zu Mute. Ich sehe mir die nächsten Bilder an. Aber bei keinem verspüre ich den Zauber von vorhin.
Countdown
Kim Katharina Salmon (15 Jahre), Regensburg – Prosa (13-15)
Er und sie sitzen oben, an der Heizung auf dem Boden. Irgendwer ruft von unten. „Sind alle da? Es ist gleich zwölf!“ Stimmen. „Haben alle Sekt?“

er: Ich werde einen Piratensender gründen, und zwar den ersten Sender der Welt, der an Silvester nicht die Sekunden runterzählt.

Dafür, dass er vier Bier und drei Cocktails intus hat, ist seine Stimme noch erstaunlich fest.

er: Zwei Cocktails.

Wie bitte?

er: Ich sagte, es waren nur zwei Cocktails.

Er sagte, es seien nur zwei Cocktails gewesen.

er: Boah ey, was soll die nervige Stimme aus dem Off?

Er heißt im übrigen Levi Kramer Junior und ist siebzehn Jahre alt. Wobei das „Junior“ in seinem Namen irreführend ist, weil es impliziert, dass es auch einen Levi Kramer Senior geben müsste. Gibt es aber nicht. Das „Junior“ hat er dazu gedichtet, weil er findet, dass es cool klingt.

er: Tut es auch!

sie: Mit wem redest du eigentlich die ganze Zeit?

Sie ist Justina Weiß, fünfzehn, und fast nüchtern. Viele Menschen meinen, wenn man schon illegal als Fünfzehnjährige auf einer Ü18-Party erscheint, dann um sich richtig zu besaufen. Aber Justina geht auf Partys, um Leute zu beobachten. Levi Kramer zum Beispiel.

er: Levi Kramer Junior. Mit niemandem. Also, mit niemandem, der wirklich da wäre. Rede ich, meine ich. Ich rede mit niemandem.

Sie betrachtet den Typen, der sich ihr da so konfus vorgestellt hat, schräg von der Seite. Er ist sicher auch noch nicht achtzehn. Siebzehn vielleicht. Pinkes Papp-Partyhütchen. Zu lange Haare. Und offenbar geistig verwirrt. Aber cooler Name. Sie fährt sich durch die Haare, lächelnd.

sie: Ich bin Justina.

Er ist sich nicht ganz sicher, ob sie gerade mit ihm flirtet. Sie trägt ein rotes Glitzer-Minikleid, aber sie ist jünger als er. Ein halbes Kind, denkt er, aber das kann auch an dem pinken Papp-Partyhütchen liegen, das sie schief auf dem Kopf trägt. Die Dinger sind echt unvorteilhaft.

sie: Und, Levi Kramer Junior? Gehen wir das neue Jahr begrüßen?

er: Ne.

sie: Was? Wieso nicht?

Er grinst, weil ihm das jedes Jahr passiert. Diese Ungläubigkeit. „Aber… das hier ist eine Silvesterparty!“ „Aber… jeder zählt die Sekunden bis Neujahr!“ „Aber… warum?“ Dabei hat Levi Kramer Junior

er: Geht doch

sie: Was?

natürlich seine Gründe.

er: Alle tun so, als wär das eine Verpflichtung. Was ganz Besonderes. Aber ganz ehrlich – nichts an diesen zehn Sekunden ist besonders. Oder anders als an allen anderen Zeitspannen auf der Welt. Man könnte genauso gut jede andere Zeitspanne hoch- oder runterzählen und am Ende begeistert rumkreischen.

sie: Klar. Aber warum machst du es nicht?

Er versteht nicht, was sie von ihm will. Hat er nicht gerade auf diese Frage geantwortet? Diesmal ist er es, der „Was?“ fragt.

er: Was?

sie: Kann ja sein, dass es keine Bedeutung hat. Aber das ist doch kein Grund, nicht mitzumachen. Geburtstag feiern hat ja so gesehen auch keinen Sinn. Oder Weihnachten. Filme gucken. Kuchen essen. Sowas.

Jetzt versteht er, was sie meint. Und er fragt sich, ob sie lieber eine philosophische Grundsatzdiskussion über den Sinn des Lebens mit ihm führen will, als mit den anderen die Sekunden bis Neujahr zu zählen.

er: Wenn du mitzählen willst, musst du jetzt runter.

sie: Ich weiß noch nicht, ob ich mitzählen will.

Sie nimmt seine linke Hand und schaut auf seine Uhr. Dann lässt sie seine Hand wieder los. Er blinzelt, verwirrt über den plötzlichen Körperkontakt, und ist sich für einen Moment nicht sicher, ob er sich das Ganze vielleicht nur einbildet. Dass sie seine Hand genommen hat. Dass sie mit ihm spricht. Dass sie da ist. Vielleicht hat er doch zu viel getrunken. Vielleicht ist sie auch nur eine Art Silvester-Halluzination.

sie: Okay, hat sich erübrigt. In elf Sekunden ist…

Von unten ist kollektives Zählen zu hören. „Zehn! Neun! Acht! Sieben! Sechs! Fünf! Vier! Drei! Zwei! Eins!“ Levi Kramer Junior und Justina Weis sitzen indes oben, an der Heizung auf dem Boden.

sie: Ach, Scheiße.

er: Frohes Neues.

sie: Also jetzt plötzlich doch?

Er: hat ein ganz leicht schlechtes Gewissen, weil sie seinetwegen das neue Jahr verpasst hat.

er: Soll ich mich entschuldigen?

Vielleicht wäre eine Entschuldigung angebracht.

sie: Wofür?

er: Tut mir leid, dass ich dich davon abgehalten habe, Sekunden zu zählen.

sie: Schon okay. Ich geh mir das Feuerwerk angucken, kommst du mit?

er: Klar!

Sie steht auf. Er steht auf. Sie macht sich auf den Weg nach unten, er folgt ihr. Plötzlich bleibt sie stehen und bedeutet ihm, zu warten.

sie: Warte kurz. Die werden sich fragen, warum wir nicht dabei waren, und wenn sie sehen, dass wir zusammen die Treppe runterkommen, denkt morgen die ganze Schule, wir hätten…

er: Verstehe.

Sie blicken sich an, lange. Dann passiert nichts. Sie geht die Treppe nach unten. Levi Kramer Junior blickt dem Mädchen im roten Glitzer-Minikleid mit dem pinken Papp-Partyhütchen nach, Justina. Er wartet und zählt die Sekunden.

er: Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn.

Dann folgt er ihr, leicht schwankend, nach unten, nach draußen, wo gerade jemand die erste Rakete in den Nachthimmel schießt. Er nimmt ein Glas Sekt von einem Tablett. Ein paar Meter weiter steht Justina, mit dem Rücken zu ihm, ebenfalls mit einem Sektglas. Sie sieht ihn nicht, aber er prostet ihr schweigend zu. Dann trinkt er aus, ohne abzusetzen. Und über dem Gelächter und dem Zischen der aufsteigenden Raketen verstummt sogar die Stimme in seinem Kopf.
Remis
Lea-Lina Oppermann (16 Jahre), Hennef – Prosa (16-18)
Wir trafen uns am Äquator, um kurz nach halb vier.

Zum Schach.

„Links oder rechts?“, begrüßte mich Hacke, die Hände hinter dem Rücken verborgen.

„Rechts.“

„Schlechte Entscheidung“, er lachte, streckte mir die rechte Faust entgegen und öffnete die Finger. Ein schwarzer König kroch aus seinen schmutzigen Hautfältchen hervor. „Ich wusste, dass du das sagen würdest! Ich fang an.“

Wir setzten uns auf den Äquator, ein Bein auf jeder Seite, zwischen uns die Platte, mit schwarzem Edding auf den Beton gekritzelt.

Zwei Meter weiter pinkelte ein Schäferhund gegen die Mauer, Hacke schüttelte die Figuren aus dem Beutel. Bauern, Springer, Läufer, Türme und zwei Damen purzelten auf das Schlachtfeld.

Mit den geübten Fingern eines Klavierspielers platzierte ich meine schwarze Armee. Es bringt Glück, als erstes mit der Aufstellung fertig zu sein. Außerdem betrachtete ich die beiden Heere vor dem Spiel gern noch ein wenig, wie sie sich einander gegenüberstehen, kampfbereit, in Reih und Glied.

„Mach schon“, kommandierte ich, obwohl Hacke längst noch nicht fertig war. Psychologische Kriegsführung, nennt mein Vater das.

Doch Hacke ließ sich davon nicht aus dem Tritt bringen. In aller Seelenruhe rückte er sich die zerschlissene Kappe zurecht und ordnete seine Figuren.

„Du hast es so gewollt“, murmelte er schließlich, knackte mit den Knöcheln und eröffnete die Partie durch einen forschen Bauernzug Richtung Zentrum.

Der Kampf hatte begonnen.

Hacke und ich kannten uns nicht durch die Schule, Hacke ging nicht zur Schule, und auch nicht über unsere Eltern, Hacke hatte keine Eltern. Und bevor du jetzt fragst, nein, Klavier spielte er auch nicht.

Dafür spielte er Schach, und zwar besser als irgendjemand sonst auf diesem Planeten, zumindest behauptete er das. Sein Geld verdiente er sich als „King of chess“, hier am Äquator, indem er Passanten zum Schach herausforderte, um ein paar Münzen spielte und gewann. Jede einzelne Partie.

Als ich mit meinen Eltern in das große Einfamilienhaus mit Blick auf den Park zog, konnte ich alles, nur kein Schach. Ich weiß noch genau, wie er mich das erste Mal ansprach:

Ich lungerte nutzlos vor der Eingangstür herum, während die Möbelpacker das Klavier die Stufen hochhievten.

„Was kannst du eigentlich?“

Er schüchterte mich ein, dieser dreckige Kerl, dessen Augen genauso dunkel waren, wie das Klavier.

„Mehr als du“, antwortete ich, nach einigen Sekunden Bedenkzeit.

Er grinste. „Rasen mähen und Mozart spielen, was?“

„Hau ab“, mein halbherziger Versuch, ihn loszuwerden, beeindruckte ihn nicht im Geringsten.

„Nicht so unhöflich“, mahnte er, „wir sind jetzt Nachbarn.“

Ich schaute mich um. Vor uns erstreckte sich bloß der riesige Park, durchzogen von einer langen Betonmauer. Ganz am anderen Ende stand ein heruntergekommener Kiosk.

„Du wohnst hier?“

„Jawohl“, er zeigte auf den Kiosk, „direkt am Äquator. Da komme ich nämlich her.“

„Du meinst die Betonmauer?“

„Nein“, beharrte er, „ich meine den Äquator. Den Ring der Welt, Klugscheißer, spielst du Schach?“

„Du bist besser geworden“, lobte mich Hacke, allerdings in einem Tonfall, der ahnen ließ, dass er das für keine große Leistung hielt.

Die beiden Heerscharen waren mittlerweile um die Hälfte dezimiert. Eine seltsame Erregung hatte von mir Besitz ergriffen, Mordlust auf den weißen König. Ich wollte gewinnen, unter allen Umständen. Ich war besser als er, klüger, beliebter – denn woher sollte er wohl Freunde haben – reicher sowieso, besaß die besseren Chancen für die Zukunft und trotzdem behandelte er mich stets mit einer Arroganz, die mich fast zum Explodieren brachte.

„In Zehn Sekunden bist du matt – wetten?“ Ein lauernder Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen, er wusste genau um die Bedeutung dieser Partie.

„Eins“, zählte Hacke

Gerade noch rechtzeitig zog ich meine Dame einen Schritt zurück.

„Zwei.“

Er reagierte mit einem Läuferdoppelspieß.

„Drei.“

Ich versuchte meinen eigenen Läufer zu Hilfe zu holen…

„Vier.“

… und übersah dabei, seinen hinterhältigen Springer.

„Fünf.“

Er fegte meinen Läufer vom Feld, hatte nun freie Bahn für seine Dame.

„Sechs.“

Verzweifelt marschierte ich mit dem König einen Schritt vorwärts.

„Sieben.“

Sein Läufer schlug meine Dame.

„Acht.“

Ich rächte mich mit meinem Turm.

„Neun.“

Er zog die Dame nach.

„Zehn – oder besser: Schachmatt.“

Ich sackte zusammen. Meine Armee war verloren, der Heerführer tief gedemütigt. Ich griff in meine Hosentasche.

Er wehrte ab. „Behalt dein Geld. Ich will was anderes.“

Misstrauisch hielt ich inne.

Er lächelte – nicht arrogant, sondern ganz einfach freundlich.

„Bringst du mir Klavierspielen bei, Klugscheißer?“